Ungerechtfertigte Bereicherung im BGB: Fälle zur Veranschaulichung

Das Wichtigste zu §§ 812 ff. BGB: Ungerechtfertigte Bereicherung

Was bedeutet ungerechtfertigte Bereicherung?

Ungerechtfertigte Bereicherung bedeutet laut Definition, dass jemand einen Vermögenszuwachs erzielt, ohne dass es dafür einen rechtlichen Grund gibt. Die §§ 812 ff. BGB dienen dazu, diesen nicht gerechtfertigten Vermögensvorteil wieder auszugleichen. Der Bereicherte muss das Erlangte wieder herausgeben oder einen Wertersatz in Geld zahlen. Hier erläutern wir anhand des „Flugreisefalls“, was das genau bedeutet.

Was kann ich tun bei ungerechtfertigter Bereicherung?

Wer Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen möchte, sollte sich nach Möglichkeit professionelle Unterstützung suchen, beispielsweise durch ein Inkassounternehmen oder einen Rechtsanwalt. Beide können die Forderungen prüfen und durchsetzen.

Welche Verjährung gilt für ungerechtfertigte Bereicherung?

Laut § 195 BGB gilt für ungerechtfertigte Bereicherung eine Verjährung nach drei Jahren. In diesem Abschnitt erfahren Sie mehr.

Ist ungerechtfertigte Bereicherung strafbar?

Zunächst einmal ist die in den §§ 812 ff. BGB geregelte ungerechtfertigte Bereicherung kein Straftatbestand, sondern ein zivilrechtliches Konstrukt, das Herausgabe- oder Wertersatzansprüche begründet. Im Einzelfall kann aber die Handlung, die zu der Bereicherung führt, strafbar sein – beispielsweise als Erschleichen einer Leistung im Sinne des § 265a StGB („blinder Passagier“) oder als Betrug nach § 263 StGB.

Was ist eine ungerechtfertigte Bereicherung? Beispiele zur Veranschaulichung

Was bedeutet ungerechtfertigte Bereicherung?
Was bedeutet ungerechtfertigte Bereicherung?

1971 fällte der Bundesgerichtshof sein Urteil in einem kuriosen Fall, der in der Rechtswissenschaft bis heute in eine wichtige Rolle spielt. Dieses als „Flugreisefall“ bekannt gewordene Urteil (BGH, Az. VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128) eignet sich gut, um zu erklären, was ungerechtfertigte Bereicherung überhaupt bedeutet:

Damals flog ein Minderjähriger kurz vor Vollendung seines 18. Lebensjahrs von München nach Hamburg. Dort schaffte er es ohne Flugticket, ein Flugzeug nach New York zu besteigen. Dort verweigerte man ihm die Einreise, weil er kein Visum besaß. Das Flugunternehmen beförderte ihn zurück nach München und verlangte danach die Bezahlung des Flugpreises für die Strecke Hamburg – New York.

Der gesunde Menschenverstand sagt einem sicherlich, dass dem Flugunternehmen dieses Geld zweifellos zusteht, aber in der juristischen Praxis muss jeder Anspruch eine entsprechende vertragliche oder gesetzliche Grundlage haben.

  • Vertragliche Ansprüche auf Bezahlung des Flugpreises scheiden aus, weil die Fluggesellschaft nur diejenigen Passagiere befördern möchte, die auch ein Ticket besitzen und nicht jede Person, die einfach den Flieger besteigt. Hinzu kommt, dass Minderjährige ohne die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter, also der Eltern, keinen wirksamen Vertrag abschließen können.
  • Auch deliktische Ansprüche scheiden aus: Weil das Flugzeug nicht ausgebucht war, ist der Fluggesellschaft kein Schaden entstanden.
  • Zu guter Letzt stellt sich die Frage: War es eine ungerechtfertigte Bereicherung? Ja. Die Fluggesellschaft hat unter anderem einen Anspruch auf Wertersatz, also auf den Flugpreis für den (erschlichenen) USA-Hinflug nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB (sog. Eingriffskondiktion).

Dieses Beispiel des blinden Flugpassagiers verdeutlicht: Wer sich ungerechtfertigt bereichert, erlangt einen Vermögensvorteil, der ihm gar nicht zusteht. Das Bereicherungsrecht der §§ 812 ff. BGB soll diesen ungerechtfertigten Vermögenszuwachs wieder ausgleichen, indem es den Bereicherten verpflichtet, dem Entreicherten all das herauszugeben bzw. zu erstatten, was er durch die ungerechtfertigte Bereicherung erlangt hat. Es handelt sich dabei um einen gesetzlichen Anspruch.

„Flugreisefall“ und der Wegfall der Bereicherung

Der Bundesgerichtshof prüfte im obigen „Flugreisefall“ beim Umfang des Bereicherungsanspruchs, ob sich der minderjährige blinde Passagier auf einen Wegfall der Bereicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB berufen durfte und infolgedessen doch keinen Wertersatz für den Flugpreis an die Fluggesellschaft zahlen musste.

Denn in § 818 Abs. 3 BGB heißt es:

„Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.“

Laut § 819 Abs. 1 BGB kann sich der blinde Flugpassagier jedoch nicht auf eine Entreicherung berufen, wenn er bösgläubig war. Schließlich kannte der Minderjährige seine ungerechtfertigte Bereicherung, er wusste, dass er ohne rechtlichen Grund (nämlich ohne gültiges Flugticket) befördert wurde. Nach Ansicht des BGH ist hier die Kenntnis des Minderjährigen ausschlaggebend und nicht die der Erziehungsberechtigten. In einem Leitsatz zum Urteil („Flugreisefall“) führten die obersten Richter aus:

„Handelt es sich um einen kurz vor der Vollendung seines 18. Lebensjahres stehenden Minderjährigen, so kommt es auf dessen Kenntnis (und nicht die seines gesetzlichen Vertreters) jedenfalls dann an, wenn er sich in den Genuß der Leistung durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung gebracht hat und die erforderliche Einsicht in die Erkenntnis hatte, zur unentgeltlichen Inanspruchnahme der Leistung nicht berechtigt zu sein. “

[Quelle: BGHZ 55, 128]

Versehentliche Lohnüberzahlung durch den Arbeitgeber

Ungerechtfertigte Bereicherung: Zu viel Unterhalt muss im Falle des § 1360b BGB nicht zurückgezahlt werden. Das gilt für Familien- und Trennungsunterhalt.
Ungerechtfertigte Bereicherung: Zu viel Unterhalt muss im Falle des § 1360b BGB nicht zurückgezahlt werden. Das gilt für Familien- und Trennungsunterhalt.

Noch ein Beispiel: Eine ungerechtfertigte Bereicherung ist auch zu viel Lohn, den der Arbeitgeber versehentlich bzw. irrtümlich an den Arbeitnehmer überweist. Schließlich hat der Mitarbeiter keinen Anspruch darauf und muss das zu viel gezahlte Geld zurückgeben.

Arbeitgeber sichern sich häufig für solche Fälle ab, indem sie eine entsprechende Klausel in den Arbeitsvertrag aufnehmen, der den Arbeitnehmer zur Rückerstattung von rechtsgrundlosen Überzahlungen verpflichtet – und zwar unabhängig davon, ob diese ungerechtfertigte Bereicherung noch vorhanden ist oder der Arbeitnehmer das Geld schon ausgegeben hat.

Damit will der Arbeitgeber ausschließen, dass sich der Arbeitnehmer auf den bereits im „Flugreisefall“ erwähnten Einwand der Entreicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB beruft. Wenn der nämlich einwendet, das Geld für eine sogenannte Luxusaufwendung verwendet zu haben, kann der Arbeitgeber die Überzahlung nicht mehr zurückfordern.

Eine solche Luxusaufwendung liegt zum Beispiel vor, wenn der Beschäftigte seinen Urlaub bisher immer nur im Garten verbracht hat, weil er sich mehr nicht leisten konnte und wenn er die Überzahlung nun nutzt, um damit eine Kreuzfahrt zu finanzieren.

Wann liegt ungerechtfertigte Bereicherung vor? Voraussetzungen der Leistungskondiktion

Schauen wir uns ein weiteres Beispiel an für eine ungerechtfertigte Bereicherung, die zur Rückforderung bzw. Herausgabe der Bereicherung berechtigt:

Jemand kauft einen PKW beim Gebrauchtwagenhändler. Der Kaufvertrag wird auch vollzogen: Der Händler erhält den Kaufpreis und der Käufer das Fahrzeug. Dann bemerkt der Käufer allerdings, dass er übers Ohr gehauen wurde – der Händler hat den Wagen manipuliert und mehrere Mängel bewusst verschleiert.

Deshalb erklärt der Käufer die Anfechtung – mit der Folge, dass der Kaufvertrag von Anfang an nichtig ist.

An dieser Stelle kommt ein etwas kompliziertes juristisches Konstrukt ins Spiel – das Abstraktionsprinzip: Aufgrund dieses Prinzips bleibt der ehemalige Käufer bleibt Eigentümer des Autos und der Händler Eigentümer des Kaufpreises – obwohl der Kaufvertrag nichtig ist. Beides eine ungerechtfertigte Bereicherung, denn der Rechtsgrund für das jeweils erworbene Eigentum – sprich: der Kaufvertrag – existiert nicht (mehr).

Das Bereicherungsrecht sorgt dafür, dass diese beiden Vermögenszuwächse wieder rückgängig gemacht werden. In diesem Beispielfall kommt die sogenannte Leistungskondition im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zur Anwendung:

„Wer durch die Leistung eines anderen […] auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. “

Unrechtmäßige Bereicherung und ihre Rechtsfolgen

Ungerechtfertigte Bereicherung: Anspruch auf Schadensersatz ist in den § 812 ff. BGB nicht vorgesehen.
Ungerechtfertigte Bereicherung: Anspruch auf Schadensersatz ist in den § 812 ff. BGB nicht vorgesehen.

Die §§ 812 – 818 BGB regeln die Rechtsfolgen der ungerechtfertigten Bereicherung:

  • Danach muss der Bereicherte das durch die ungerechtfertigte Bereicherung Erlangte herausgeben, soweit ihm dies möglich ist.
  • Ist er dazu nicht in der Lage, muss er einen Wertersatz in Geld bezahlen.

Fällt die Bereicherung nachträglich weg, erlischt damit auch der Herausgabeanspruch, sodass der ehemals Bereicherte nichts herausgeben oder bezahlen muss. Eine solche Entreicherung tritt ein, wenn das Erlangte untergeht oder sich nicht mehr im Zugriffsbereicherung des Schuldners befindet.

Ungerechtfertigte Bereicherung: Wann tritt Verjährung der Ansprüche ein?

Für Ansprüche, die auf einer ungerechtfertigten Bereicherung beruhen gilt die in § 195 BGB festgeschriebene regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren.

Sie beginnt laut § 199 Abs. 1 BGB „mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.“

Allerdings kann die Verjährung durch verschiedene Ereignisse gehemmt sein, beispielsweise dann, wenn der Anspruchsinhaber seinen Anspruch rechtlich verfolgt und entsprechend Klage erhebt.

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Über den Autor

Franziska
Franziska L.

Seit 2017 verstärkt Franziska das Redaktionsteam von schuldnerberatung.de. In ihren Texten vermittelt sie Wissen rund um Schuldenabbau, Finanzen sowie Verbraucherschutz und beantwortet Fragen zur Insolvenz und Zwangsvollstreckung. Entsprechendes Fachwissen bringt sie aus ihrer juristischen Ausbildung mit.

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