Kurz & knapp: Das Wichtigste zur EU-Restschuldbefreiung
Normalerweise müssen Schuldner erst eine sechsjährige Wohlverhaltensphase durchlaufen, bevor das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung erteilt. Eine Verkürzung auf drei oder fünf Jahre ist nur möglich, wenn der Schuldner in dieser Zeit die Verfahrenskosten und mindestens 35 Prozent der Schulden begleicht.
Ein wesentlicher Punkt der Richtlinie der EU zur Insolvenz ist, dass Unternehmer früher die Möglichkeit einer Entschuldung erhalten sollen – und zwar durch eine EU-Restschuldbefreiung nach drei Jahren. Näheres erfahren Sie hier.
Nein. Das Gesetzgebungsverfahren läuft derzeit. Den aktuellen Stand fassen wir hier zusammen. Deutschland muss die EU-Richtlinie zur Restschuldbefreiung spätestens bis Juli 2021 umsetzen.
Inhalt
EU-Richtlinie zur Restschuldbefreiung
2019 trat die vom Europäischen Parlament oder dem Rat erlassene EU-Richtlinie 2019/1023 über Restrukturierung und Insolvenz in Kraft. In dieser Richtlinie sind folgende – für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlichen – Ziele festgeschrieben:
- Möglichkeit der Betriebsfortsetzung für bestandsfähige Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten durch präventive Restrukturierungsmaßnahmen
- volle Entschuldung redlicher insolventer Unternehmer nach einer angemessenen Zeit
- erhöhte Wirksamkeit von Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren durch eine verkürzte Verfahrensdauer
Ein Kernelement dieser Richtlinie ist die EU-Restschuldbefreiung für Unternehmer innerhalb von drei Jahren. Diesen Punkt müssen die Mitgliedsstaaten und damit auch Deutschland bis 17.7.2021 in nationales Recht umsetzen. Außerdem empfiehlt die Vorschrift ausdrücklich, dass auch Verbraucher die Chance haben sollen, sich binnen drei Jahren zu entschulden.
Aktuell erfolgt die Restschuldbefreiung erst nach einer sechsjährigen Wohlverhaltensphase. Schafft es der Schuldner, innerhalb von fünf Jahren die Verfahrenskosten aufzubringen, wird er nach diesen fünf Jahren vollständig entschuldet. Kann er binnen drei Jahren die Verfahrenskosten und mindestens 35 Prozent seiner Schulden im Insolvenzverfahren begleichen, ist er – wie bei der geplanten EU-Restschuldbefreiung – schon nach drei Jahren schuldenfrei. Die Entschuldung nach der EU-Richtlinie setzt jedoch keine Zahlungen des Schuldners in einer bestimmten Höhe voraus.
Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der schnelleren EU-Restschuldbefreiung in deutsches Recht
Die Bundesregierung hat bereits einen Gesetzesentwurf für ein „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens“ vorgelegt. Dieser Entwurf sieht im Kern Folgendes vor:
- reguläre Restschuldbefreiung für Unternehmer und Verbraucher nach drei Jahren bei allen ab dem 1.10.2020 beantragten Insolvenzen
- Befristung der Regelung zur EU-Restschuldbefreiung für Verbraucher bis zum 30.6.2025 – entfristet der Gesetzgeber diese Regelung nicht, gelten wieder die bisherigen Regeln
- verkürzte Verfahrensdauer auch für Insolvenzverfahren, die ab dem 17.12.2019 beantragt wurden
- elfjährige Sperrfrist vor einer zweiten Privatinsolvenz mit EU-Restschuldbefreiung; zweites Verfahren dauert fünf Jahre
- Insolvenzgericht darf die Restschuldbefreiung von Amts wegen versagen
- Schuldner müssen neben Erbschaften auch Schenkungen (50 Prozent) und Lotterie- oder ähnliche Gewinne an den Insolvenzverwalter herausgeben
Der Bundesrat hat bereits zu diesem Regierungsentwurf Stellung bezogen und einige Punkte kritisiert bzw. Änderungswünsche geäußert. Auch Fachkreise äußerten vielfach Kritik zum bisherigen Gesetzesentwurf zur EU-Restschuldbefreiung. Diskutiert werden insbesondere folgende Punkte:
Kritikpunkt: Ungleichbehandlung von Verbrauchern und Unternehmern
Der Deutsche Anwaltsverein etwa fordert, dass das Restschuldbefreiungsverfahren für alle natürlichen Personen einheitlich gelten soll. Er hält eine Privilegierung Selbstständiger durch eine verkürzte Insolvenz für verfassungsrechtlich bedenklich und argumentiert:
„Es dürfte Betroffenen auch kaum zu vermitteln sein, dass ein Kleinunternehmer nach einer Insolvenz in drei Jahren entschuldet wird, während sein Arbeitnehmer, der durch die Insolvenz seinen Arbeitsplatz verliert und hierdurch ebenfalls zahlungsunfähig wird, in ein sechsjähriges Verfahren gehen muss.“
Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins (Nr.: 15/2020) zum Referentenentwurf vom 13.2.2020
Die Bundesrechtsanwaltskammer befürwortet ebenfalls eine einheitliche EU-Restschuldbefreiung nach drei Jahren. Sie bezieht sich dabei auf den Referentenentwurf zum geplanten Gesetz. In diesem wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rechtstradition seit 1999 im Restschuldbefreiungsverfahren keine Unterscheidung zwischen Unternehmern und Verbrauchern kennt.
Auch sei kein Grund für eine Ungleichbehandlung ersichtlich. Die Gefahr, dass Insolvenzgläubiger nur eingeschränkt befriedigt werden, besteht bei einer Unternehmensinsolvenz genauso wie bei einer Privatinsolvenz.
Derzeitige Dauer der Speicherung von Daten über Insolvenzverfahren und EU-Restschuldbefreiung
Aktuell werden Daten über eine Privatinsolvenz und eine erteilte bzw. versagte Restschuldbefreiung bei Auskunfteien wie der SCHUFA für drei Jahren gespeichert. Der Referentenentwurf sah bereits eine Verkürzung dieser Frist auf ein Jahr vor, um Schuldnern die Chance geben, frühzeitig und ohne Stigmatisierung am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Diese Regelung fehlt im Regierungsentwurf, was massive Kritik auslöste.
Nicht nur der Bundesrat fordert in seiner Stellungnahme die Wiederaufnahme der Ein-Jahres-Frist. Nach seiner Auffassung ist es nicht länger hinnehmbar, dass Schuldner durch diese überlange Speicherung am Abschluss von etwa Miet-, Energielieferungs- und Telekommunikationsverträgen gehindert werden.
Quellen und weiterführende Links
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